Roxane

Swing-Spiel für einen Schauspieler und einen Pianisten

  hören >>

Roxane, meine Schöne, du, ich konnte
Nicht länger warten,
Du, ich flieg schon mal voraus,
Gestern Abend warst du alles,
Warst die Sehnsucht, warst die Zeit …
 
Hinter allen Zeiten warst du,
Und beim Wolkenschieben warst du
Aller Unsinn, alle Schönheit,
Du, ich fliege eine Acht …
 
Unter mir schwimmt eine Insel,
Flieg ich weiter, flieg ich tiefer?
Alle Farben seh ich unten,
Farben, die ich noch nicht kenne …

 Ach, Roxane, meine Schöne,
Seh ich dich da unten wedeln
Mit den Händen, meine Schöne?
Du, ich fliege erst mal weiter,
Immer weiter, immer weiter ….

Irgendwo lass ich mich tief und tiefer fallen,
Und dann lieg ich zwischen Muschelkalk und Quallen …

Irgendwo malt mir die Sonne einen Fleck
In den Sand, dort bleib ich, oder ich lauf weg …
 
Irgendwo bin ich vielleicht nach links gebogen,
Oder hab mich an Lianen hochgezogen …

Irgendwo erwartet mich ein Inselstück,
Und dort sitz ich dann eventuell im Glück …


Vielleicht

Swing-Spiel für einen Schauspieler und einen Pianisten

 – hören >> 


 – Vielleicht zählt Unsereins zum alten Eisen,

Vielleicht soll morgen schon Verschrottung sein,

Vielleicht schlägt Unsereins die letzten Schneisen

Und drängt sich einmal noch ins Leben rein.


Ich war zum letzten Mal vor tausend Jahren

Verliebt in eine längst vergessne Frau,

Ich weiß nicht mehr, ob wir im Himmel waren,

Wir wollten hin, das weiß ich noch genau.


Ich bin kein Mann von Welt und von Erfahrung,

Ich geh tagaus tagein im gleichen Hemd,

Und alle Wunder einstiger Behaarung

Hat mir die Zeit für immer weggekämmt.


Ich denke gern an jene Glücksmomente,

Da ich noch sagen konnte: Fünfzig – und?

Es geht dein Geist noch lange nicht in Rente,

Du brauchst noch lange keinen Ausgehhund!


Jetzt, da die Siebzig angefangen haben,

Nehm ich den Hund als gottgegeben an

Und lass mich gerne mit dem Hund begraben,

Wenn ich mich einmal noch verlieben kann.

 


He, Frau mit Spleen!

Swing-Spiel für einen Schauspieler und einen Pianisten

He, Frau mit Spleen! Bist du vorausgeflogen,
Gerade eben im Gedankenflug,
Gleich hinterm Bahnhof bist du abgebogen,
Als hinter dir die Bahnhofsuhr – dreizehn schlug.

He, Frau mit Spleen! Ich seh uns beide fliegen,
Wir treffen uns demnächst an einem Baum,
Du bist dann schon mal auf den Baum gestiegen,
Wer weiß: Der Baum gehört vielleicht zu einem Traum.

He, Frau mit Spleen! Dort in die Ferne blickend,
Sitzt du und fragst dich, wie krieg ichs hin,
Den Mann mit Spleen, an seinem Traume strickend,
Mit List als Träumenden in meinen Traum zu ziehn.

He, Frau mit Spleen! Uns trennen viele Welten,
Doch in der Träumerei wärn wir ein Knüllerpaar,
Wir könnten insofern als Traumpaar gelten,
Das nicht nur eine Zwischenzeitbekanntschaft war.

 



Sonetto siciliano


 – Ich habe eine Liebste auf Sizilien,

(vielleicht, ich weiß es aber nicht genau),

Ich denk sie mir als zeitentrückte Frau

Inmitten sizilianischer Fossilien:


Da steht ein Krug und vor dem Krug, verführend,

Hockt meine Liebste, schön und fossiliert,

Oft bin ich schon um sie herumstolziert,

Den Mann betonend und Verlangen schürend


Und hoffend, dass sie sich nach mir verzehre;

So, wie auch mich die Gier nach ihr zerquält,

Wenn sie sich manchmal aus Vergangnem schält,


Gedanklich – nackt die Gegenwarten sucht,

Auf Sizilianisch einen Lustfluch flucht

Und unversehens türmt. Ins Ungefähre


Und zieht mich wie ein Spielzeug hinterher …

(Wenn das nicht typisch sizilianisch wär!)

 


  

Kuhgedanke 


– Auf der Alm ein Mädchen lächelt,
Und ihr Mädchenlächeln fächelt
Einer jungfräulichen Kuh
Einen Kuhgedanken zu:

Wenn ich auch so lächeln täte,
– denkt die Kuh – und es beträte
Just ein Stier die Alm und säh es,
Lieber Kuhgott, dann geschäh es!


   


Ich wollte auch mal ein Sonett schreiben

Was schenk ich meiner Gerda bloß zu Ostern,
Sie hätt so gern ein rosa Fahrradschloss?
Sie schenkt mir ihren Po auf rosa Postern,
Die sie beim Selfen in der Dusche schoss

Aus super Perspektive ganz in rosa,
Als es grad rosa aus der Dusche floss,
Und weil den Po kein Mensch bis heute so sah,
Wie sich darauf die Rosaflut ergoss,

Hat ihn die Gerda zum Geschenk erkoren,
Weil sie zu Ostern gern was Buntes schenkt.
Ich schenk ihr rosa Schützer für die Ohren,

Die sie als Muschelwärmer drüberhängt,
Denn Fahrradschlösser gibts nur lilagräulich
Und nicht, wie‘s fast gepasst hätt, lilabläulich.

 
Geburtstags-Tango

 hören >> 

Auch der Schönste kommt ins Alter

Und die Pfirsichhaut wird rau,

Aus dem buntgemalten Falter

Wird ein reifer Mann in Grau,


Auch der Schönste kriegt mal Runzeln,

Und die Backen knittern ein,

Und das patentierte Schmunzeln

Passt nicht mehr wie früher rein.


Als die Fünfzig näher kamen,

Hat er Vierzig draus gedreht,

Allen sturmerprobten Damen,

Die es gern zur Kenntnis nahmen,

Hat‘s den Atem weggeweht.


Damals stand er in der Blüte,

Heute steht er gut im Most.

Siebzig Jahre, Gott behüte,

Und gedankt sei‘s seiner Güte,

Sind noch lange nicht der Rost.


Frühlingsschönheit, ach, die blättert ab,

Mancher Schöne klettert früh ins Grab,

Mancher andre reift ganz wunderbar,

Siebzig Jahre färbt ihm der Herbst ins Haar.


Siebzig Jahre sind die Fülle,

Man beneidet ihn darum,

Um die ausgereifte Hülle,

Um den Glanz der Herbstidylle

Und den Buckel voller Zeit,


Siebzig Jahre sind das Ende

Vor dem Anfang

Einer Abendsonnenwende

Mit dem Blick auf ferne Strände

Und dem Schub zur Ewigkeit.


Auch der Schönste kommt ins Alter

Und die Pfirsichhaut wird rau,

Aus dem buntgemalten Falter

Wird ein reifer Mann in Grau,


Auch der Schönste wird mal Engel,

In die Hölle kommt er nicht.

Und im himmlischen Gedrängel

Leuchtet ihm ein Extralicht.



An Hermes

 – Schöner Gott, ich weiß, du fliegst da oben,
Und du hast mich im Visier,
Und du hältst mich für vollkommen,
Insoferne gleich ich dir.
 
Du, wenn ich mich morgens selber sehe
Auf dem Dachbalkone nackt,
Rückgespiegelt in der Glastür,
Ganz in Frühling eingepackt,
 
Du, dann bin ich einfach so vollkommen,
Immer morgens um halb acht.
Fünf nach neun ist alles anders,
Weil: Dann steh ich überdacht

Nackt auf einer Leopardendecke
Im Museum als Modell,
Und ein Seufzer löst sich leise,
Und mein Lächeln endet schnell,
 
Dort betrachten mich die Aushilfsgötter,
Und sie zeichnen mich als Akt,
Und, ich ahne es, am Himmel
Hast du SOS geflaggt.
 
Keine Panik, schöner Gott, schon morgen
Wogend wieder auf dem Dach
Steh ich, dreh mich für uns beide,
Und ich hör dein fernes: «Ach!»


Pfunde-Tango

– hören >> 

 – So geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Versteckst deine Fülle
In schmeichelnder Hülle,

So geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Du ruderst ins Runde
Und wuchtest die Pfunde,

So geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Du stehst auf der Leiter,
Und ich steh davor und guck

Zu dir, zu dir hoch, Liebste,
Und glaub es nicht, ich glaubs nicht, Liebste,
Was seh, ach Gott, was seh ich, Liebste,
Ich guck und seh die Fülle, Liebste,

Du warst einstens meine Schlanke,
Meine schlanke Ranke,
Jetzt rankst du rund, rundumrund, kugelrund, Pfund um Pfund 
Um dich herum. 

Ich guck zu dir hoch, Liebste,
Und ich glaub, ich glaub es nicht,
Was seh, seh, was seh ich, ach,
Ich seh, seh, die Fülle, Liebste,

Treib es, treibs nicht so weiter,
Steig von der Leiter,
Und komm und lauf jetzt, lauf jetzt, mit mir ums Haus jetzt,
Ums Haus herum.

Verdammtnochmal,
So geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Komm, wir drehn eine Runde,
Und schrumpfen die Pfunde,
Los, steig von der Leiter,
Wir, wir laufen ums Haus. 

Wie ein Schmetterling bist du doch einstens geflogen,
Hast kaum was gewogen,
Bist im Schmetterlingsbogen
Um die Häuser gezogen.

Und jetzt bist du die Fülle
In schmeichelnder Hülle,
Du ruderst ins Runde
Und wuchtest die Pfunde.

Du, so geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Also kommt von der Leiter,
Und wir rennen ums Haus. 

(Grafik: © Knoppx)


Gebet vor dem Badezimmerspiegel


 hören >>  


Lieber Gott, wie wär‘s mit mir als Micker,

Dünn und drahtig könnte ich durchs Leben gehn?

Du, seit Wochen werd‘ ich immer dicker,

Du, ich kann schon meine Zehen nicht mehr sehn!

Guck ich runter, seh ich einen Hügel,

Unter dem ich Zehen nur vermuten kann,

Das Barockgespenst im Badezimmerspiegel

Guckt mich aus verschweinsten kleinen Augen an.


Manchmal träum‘ ich einer Stadtgazelle

Hinterher, wenn sie an mir vorüberschnürt,

Schließlich steh ich wieder an der Schwelle,

Die zu meinem Albtraumbadezimmer führt.

Ach, warum nur quälst du mich mit Träumen,

Füllst mich mit Gewicht und Sehnsuchtsbildern ab?

Stadtgazellen grasen in entfernten Räumen,

Und als Dicker hast ‘e dorthin nicht den Trab.


Lieber Gott, auch wenn wir es beklagen,

Sind wir beide – guck mal in den Spiegel! – viel zu dick.

Soll‘n wir eine Kur dagegen wagen?

Oder nehmen wir’s gefasst als Daseinsknick?

Was? Du schweigst? Na, dann in Gottes Namen

Kann nur das die Lösung unsres Falles sein:

Lass uns einfach noch viel dicker werden, amen.

(Und jetzt lad’ ich uns zum Schweinebraten ein.)




Drehnsen Tango!


 hören >>


Drehnsen Tango, drehnsen Tango,

Wenn das Herz mal wieder aus den Nähten geht,

Drehnsen Tango, drehnsen Tango,

Wenn der Wind mal wieder aus der falschen Richtung weht,

Drehnsen Tango, drehnsen Tango,

Wenn der Mensch in Ihnen auf der Kippe steht,

Und schon im Tangotakt, 

Hat sich das Herz entschlackt,

So kriegense Herzensschmerzen locker aus der Welt, 

Der Schmerz wird abgewrackt,

Der Mensch wird ausgepackt 

Und als geheilt von Ihnen in die Welt gestellt.


Manchmal verzehrt sich die Seele,

Manchmal da drückts in der Brust,

Seele kommt nicht von der Stelle,

Mensch hat auf gar nichts mehr Lust,

Mensch wirft sich selber nur scheele

Blicke im Spiegelbild zu,

Mensch steht im Frust,

Und dann bringt er sich um

Oder nicht und kriegt im Tangotakt sich selber rum


Und dreht‘n Tango, drehnsen Tango

Wenn das Herz mal wieder aus den Nähten geht,

Drehnsen Tango, drehnsen Tango,

Wenn der Wind mal wieder aus der falschen Richtung weht,

Drehnsen Tango, drehnsen Tango,

Wenn der Mensch in Ihnen auf der Kippe steht,

Und schon im Tangotakt, 

Hat sich das Herz entschlackt,

So kriegense Herzensschmerzen locker aus der Welt, 

Der Schmerz wird abgewrackt,

Der Mensch wird ausgepackt 

Und als geheilt von Ihnen in die Welt gestellt.


Manchmal verwünscht man sich selber,

Manchmal da stehts bis zum Kinn,

Welt ist ein Stall voller Kälber,

Gar nichts mehr Menschliches drin,

Mond wird von selber nicht gelber,

Mensch wird von selber nicht Mensch,

Mensch steht im Frust,

Und dann bringt er sich um

Oder nicht und kriegt im Tangotakt sich selber rum


Und drehtn Tango, drehnsen Tango

Wenn das Herz mal wieder aus den Nähten geht,

Drehnsen Tango, drehnsen Tango,

Wenn der Wind mal wieder aus der falschen Richtung weht,

Drehnsen Tango, drehnsen Tango,

Wenn der Mensch in Ihnen auf der Kippe steht,

Und schon im Tangotakt, 

Hat sich das Herz entschlackt,

So kriegense Herzensschmerzen locker aus der Welt, 

Der Schmerz wird abgewrackt,

Der Mensch wird ausgepackt 

Und als geheilt von Ihnen in die Welt gestellt.


 



Von Schaf zu Schaf

 – Manchmal guckt er in den Spiegel,
Meistens guckt ein Mensch zurück,
Meistens ist er es dann selber,
Manchmal dreht sich auch das Glück.

Beispielsweise wenn ein Schaf guckt
Und den Guckenden erschreckt:
Welcher Teufel hat, so fragt er,
Die Verwechslung ausgeheckt?

Wer ist wer in solchem Falle?
Wo verblieb der Unterschied?
Gilt das Spiegelbild auf Dauer?
Wehe, wenn‘s ein Mitmensch sieht!

Ich als Schaf, ich sage: Macht nichts,
Ich als Schaf seh‘ das nicht eng –
Wenn ein neues Sein jetzt anfängt,
Und der Mensch hinfort als Schaf denkt,
Ist der Schrecken schon geschluckt,
Eh' er in den Spiegel guckt.


Franz, du  musst!

 – Siehts der Mond auch jeden Abend,
Guckt er doch zum Fenster rein,
Drinnen flackert rot die Lampe,
Und man wechselt einen Schein.

Eine Hose wird in Falten
Über einen Stuhl gelegt,
Während sich ein tiefer Seufzer
Zwischenmenschlich fortbewegt.

Eine Spinne lässt sich fallen,
Und ein Seidenfummel fällt,
An der Wand im Schnörkelrahmen
Guckt ein Engel in die Welt.

Eine Fülle von orangen-
farbener Verkäuflichkeit
Legt sich auf das Vorgeprüfte
Und erwartet den Bescheid.

Ein Gebet auf schmalen Lippen
Wird im Himmel überhört,
Und ein Schicksal steht im Zimmer
Irgendwie herum und stört.

Ein ermunterndes: «Was ist denn!»
Aus der Ecke mahnt zur Lust,
Und das Schicksal fährt zusammen
Und entscheidet: «Franz, du musst!»

Siehts der Mond auch jeden Abend,
Guckt er doch zum Fenster rein,
Drinnen fällt beherzt ein Schicksal
Auf ein anderes herein.



Packend fleischlich

 – Don Quichotte spricht ein Gebet:

Gott, oh Gott, dem nichts entgeht,

Mach mich stark, im Garten hockt

Hüllenlos ein Weib und lockt!

Ihre Schenkel sind von Stein,

Stein ist alles, alles, n–n–n–ein,

Manchmal nachts wird die Figur

Packend fleischliche Natur,

Ihre Schenkel, ihre Arme,

Ihre … Gott, oh Gott, erbarme

Dich des Menschen, der mit schlechten

Kleinen Lüsten in den Nächten

Unter deinen Sternen hockt,

Ach, sie lockt und lockt und lockt,

Amen, amen …



Elizabeth II. zu Besuch

 – Fliederstein verlor sich jüngst in einem
Wundervoll entworfnen Zeitungsbild:
Eine Frau mit Schüsselhut und kleinem
Lächeln ging durch dieses Bild, und wild

Guckte ihr ein – Fliederstein verstand es,
Was da guckte, wie und auch wohin,
Auszuloten als ein wahlverwandtes
Männergucken mit Bedeutung drin.

Ach, wie hatte er mit solchem Gucken
Selbst schon Frauen auf den Hut geguckt!
Ach, wie war ihm jetzt nach Händespucken,
Und wie hat es hinterm Ohr gejuckt,

Etwas zog ihn, etwas ließ ihn gleiten
Weg vom Sofa, mittenrein ins Bild,
Und er fand sich zwischen Zeitungsseiten
Und in Damendüfte eingehüllt,

Und er guckte! Hin zum Hut! Und träumte
Sich ganz langsam an den Hut heran,
Und das kleingeratne Lächeln räumte
Seinen Platz, ein Traumbild schäumte
Auf – und plötzlich traf es ihn:
Bums! das Lächeln einer Königin.