Sonetto siciliano


 – Ich habe eine Liebste auf Sizilien,

(vielleicht, ich weiß es aber nicht genau),

Ich denk sie mir als zeitentrückte Frau

Inmitten sizilianischer Fossilien:


Da steht ein Krug und vor dem Krug, verführend,

Hockt meine Liebste, schön und fossiliert,

Oft bin ich schon um sie herumstolziert,

Den Mann betonend und Verlangen schürend


Und hoffend, dass sie sich nach mir verzehre;

So, wie auch mich die Gier nach ihr zerquält,

Wenn sie sich manchmal aus Vergangnem schält,


Gedanklich – nackt die Gegenwarten sucht,

Auf Sizilianisch einen Lustfluch flucht

Und unversehens türmt. Ins Ungefähre


Und zieht mich wie ein Spielzeug hinterher …

(Wenn das nicht typisch sizilianisch wär!)

 


  

Kuhgedanke 


– Auf der Alm ein Mädchen lächelt,
Und ihr Mädchenlächeln fächelt
Einer jungfräulichen Kuh
Einen Kuhgedanken zu:

Wenn ich auch so lächeln täte,
– denkt die Kuh – und es beträte
Just ein Stier die Alm und säh es,
Lieber Kuhgott, dann geschäh es!


   


Ich wollte auch mal ein Sonett schreiben

Was schenk ich meiner Gerda bloß zu Ostern,
Sie hätt so gern ein rosa Fahrradschloss?
Sie schenkt mir ihren Po auf rosa Postern,
Die sie beim Selfen in der Dusche schoss

Aus super Perspektive ganz in rosa,
Als es grad rosa aus der Dusche floss,
Und weil den Po kein Mensch bis heute so sah,
Wie sich darauf die Rosaflut ergoss,

Hat ihn die Gerda zum Geschenk erkoren,
Weil sie zu Ostern gern was Buntes schenkt.
Ich schenk ihr rosa Schützer für die Ohren,

Die sie als Muschelwärmer drüberhängt,
Denn Fahrradschlösser gibts nur lilagräulich
Und nicht, wie‘s fast gepasst hätt, lilabläulich.

 
Geburtstags-Tango

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Auch der Schönste kommt ins Alter

Und die Pfirsichhaut wird rau,

Aus dem buntgemalten Falter

Wird ein reifer Mann in Grau,


Auch der Schönste kriegt mal Runzeln,

Und die Backen knittern ein,

Und das patentierte Schmunzeln

Passt nicht mehr wie früher rein.


Als die Fünfzig näher kamen,

Hat er Vierzig draus gedreht,

Allen sturmerprobten Damen,

Die es gern zur Kenntnis nahmen,

Hat‘s den Atem weggeweht.


Damals stand er in der Blüte,

Heute steht er gut im Most.

Siebzig Jahre, Gott behüte,

Und gedankt sei‘s seiner Güte,

Sind noch lange nicht der Rost.


Frühlingsschönheit, ach, die blättert ab,

Mancher Schöne klettert früh ins Grab,

Mancher andre reift ganz wunderbar,

Siebzig Jahre färbt ihm der Herbst ins Haar.


Siebzig Jahre sind die Fülle,

Man beneidet ihn darum,

Um die ausgereifte Hülle,

Um den Glanz der Herbstidylle

Und den Buckel voller Zeit,


Siebzig Jahre sind das Ende

Vor dem Anfang

Einer Abendsonnenwende

Mit dem Blick auf ferne Strände

Und dem Schub zur Ewigkeit.


Auch der Schönste kommt ins Alter

Und die Pfirsichhaut wird rau,

Aus dem buntgemalten Falter

Wird ein reifer Mann in Grau,


Auch der Schönste wird mal Engel,

In die Hölle kommt er nicht.

Und im himmlischen Gedrängel

Leuchtet ihm ein Extralicht.



An Hermes

 – Schöner Gott, ich weiß, du fliegst da oben,
Und du hast mich im Visier,
Und du hältst mich für vollkommen,
Insoferne gleich ich dir.
 
Du, wenn ich mich morgens selber sehe
Auf dem Dachbalkone nackt,
Rückgespiegelt in der Glastür,
Ganz in Frühling eingepackt,
 
Du, dann bin ich einfach so vollkommen,
Immer morgens um halb acht.
Fünf nach neun ist alles anders,
Weil: Dann steh ich überdacht

Nackt auf einer Leopardendecke
Im Museum als Modell,
Und ein Seufzer löst sich leise,
Und mein Lächeln endet schnell,
 
Dort betrachten mich die Aushilfsgötter,
Und sie zeichnen mich als Akt,
Und, ich ahne es, am Himmel
Hast du SOS geflaggt.
 
Keine Panik, schöner Gott, schon morgen
Wogend wieder auf dem Dach
Steh ich, dreh mich für uns beide,
Und ich hör dein fernes: «Ach!»


Pfunde-Tango

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 – So geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Versteckst deine Fülle
In schmeichelnder Hülle,

So geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Du ruderst ins Runde
Und wuchtest die Pfunde,

So geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Du stehst auf der Leiter,
Und ich steh davor und guck

Zu dir, zu dir hoch, Liebste,
Und glaub es nicht, ich glaubs nicht, Liebste,
Was seh, ach Gott, was seh ich, Liebste,
Ich guck und seh die Fülle, Liebste,

Du warst einstens meine Schlanke,
Meine schlanke Ranke,
Jetzt rankst du rund, rundumrund, kugelrund, Pfund um Pfund 
Um dich herum. 

Ich guck zu dir hoch, Liebste,
Und ich glaub, ich glaub es nicht,
Was seh, seh, was seh ich, ach,
Ich seh, seh, die Fülle, Liebste,

Treib es, treibs nicht so weiter,
Steig von der Leiter,
Und komm und lauf jetzt, lauf jetzt, mit mir ums Haus jetzt,
Ums Haus herum.

Verdammtnochmal,
So geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Komm, wir drehn eine Runde,
Und schrumpfen die Pfunde,
Los, steig von der Leiter,
Wir, wir laufen ums Haus. 

Wie ein Schmetterling bist du doch einstens geflogen,
Hast kaum was gewogen,
Bist im Schmetterlingsbogen
Um die Häuser gezogen.

Und jetzt bist du die Fülle
In schmeichelnder Hülle,
Du ruderst ins Runde
Und wuchtest die Pfunde.

Du, so geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Also kommt von der Leiter,
Und wir rennen ums Haus. 

(Grafik: © Knoppx)


Gebet vor dem Badezimmerspiegel


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Lieber Gott, wie wär‘s mit mir als Micker,

Dünn und drahtig könnte ich durchs Leben gehn?

Du, seit Wochen werd‘ ich immer dicker,

Du, ich kann schon meine Zehen nicht mehr sehn!

Guck ich runter, seh ich einen Hügel,

Unter dem ich Zehen nur vermuten kann,

Das Barockgespenst im Badezimmerspiegel

Guckt mich aus verschweinsten kleinen Augen an.


Manchmal träum‘ ich einer Stadtgazelle

Hinterher, wenn sie an mir vorüberschnürt,

Schließlich steh ich wieder an der Schwelle,

Die zu meinem Albtraumbadezimmer führt.

Ach, warum nur quälst du mich mit Träumen,

Füllst mich mit Gewicht und Sehnsuchtsbildern ab?

Stadtgazellen grasen in entfernten Räumen,

Und als Dicker hast ‘e dorthin nicht den Trab.


Lieber Gott, auch wenn wir es beklagen,

Sind wir beide – guck mal in den Spiegel! – viel zu dick.

Soll‘n wir eine Kur dagegen wagen?

Oder nehmen wir’s gefasst als Daseinsknick?

Was? Du schweigst? Na, dann in Gottes Namen

Kann nur das die Lösung unsres Falles sein:

Lass uns einfach noch viel dicker werden, amen.

(Und jetzt lad’ ich uns zum Schweinebraten ein.)